Selbst wenn
dieser Beitrag nur indirekt etwas mit der Complementär-Medizin
zu tun hat, so ist es doch unerläßlich einmal über
den Tellerrand von Homöopathie, Akupunktur und Mora-Therapie
zu schauen und sich zu vergegenwärtigen, was heute in der rekonstruktiven
und ersatzteilmäßigen Medizin geschieht. Mit den Methoden
der ganzheitlichen Medizin kann man sicher in dem einen oder anderen
Fall unterstützend tätig sein, obwohl das eher unwahrscheinlich
sein dürfte, da die Schulmediziner ihre "schützende"
Hand über dese Patienten legen und sie von complementären
Verfahren "bewahren" werden.
Als Prof. Barnard vor geraumer Zeit an dem Zahnarzt Philipp Blaiberg
ein neues Herz implantierte, da war das eine Weltsensation, denn
an das Herz hatte sich bislang noch kein Chirurg transplantationsmässig
herangetraut. Leider hat der Patient das damalige epochale Ereignis
nicht allzu lange überlebt.
Inzwischen sind in den darauf spezialisierten Kliniken Herztransplantationen
zu einer Art Routine geworden. Auch Leber und Nieren werden transplantiert
und verhelfen dem Patienten unter einer Immunsuppressionsbehandlung
gegen die Abstoßung fremden Gewebes zu einer gewissen Lebensverlängerung
und - qualität. Besonders die Nierentransplantation befreit
den Menschen von der lästigen Abhängigkeit der regelmäßigen
Dialyse.
Eine in allen Gazetten erwähnte, also Aufsehen erregende Transplantation
führten nunmehr die beiden französischen Chirurgen Jean-Michel
Dubernard und Bernard Devauchelle durch: Sie führten die erste
Teiltransplantation eines Gesichts durch.
Wer einmal seinen Anatomie-Atlas zu Rate zieht und in Ruhe die Gesichtsregion
studiert, der wird sehr schnell erkennen, welche Schwierigkeiten
mit einem solchen chirurgischen Eingriff verbunden sind.
Die grösste Gefahr geht von einer Abstossungsreaktion aus,
denn die Gewebszusammensetzung des Gesichts mit seinen nervalen
Bestandteilen und seiner mimischen Muskulatur zwingen die Operateure
zu einer kniffligen Operationstechnik, die ungleich schwieriger
ist als bei der Transplantation innerer Organe. Zum anderen kann
es immer wieder zu Verschlüssen an den mikrochirurgischen Gefässnahtstellen
kommen.
Es ging um eine Patientin in Frankreich, deren Gesicht durch einen
Hundebiss und die dadurch auch aufgetretenen narbigen Veränderungen
arg entstellt war.
Der Grossteil des zu transplantierenden Gewebes besteht aus der
Gesichtshaut des Spenders.
Gerade in der Gesichtshaut sowie in der Haut generell laufen intensive
Reaktionen des Immunsystems ab, die es dem Organismus vermelden,
so dass bei Verletzungen fremde eingedrungene Krankheitserreger
markiert und unschädlich gemacht werden. Nach Ansicht der Chirurgen
scheinen die fremden Hautzellen dem Körper wesentlich intensiver
als Leber-, Nieren- oder Herzmuskelzellen zu signalisieren, daß
sie nicht körpereigen sind.
Die ersten Erfahrungen mit einer komplexen Übertragung von
Muskel-, Haut- und Nervenzellen gewann man mit der Transplantation
von Händen. Später kamen weitere Transplantationen von
ganzen Unterarmen und Teilen der Hand hinzu. Bei denjenigen Patienten,
die sich nicht an die konsequente Einnahme von immunsuppressiven
Medikamenten hielten, kam es allerdings zu heftigen Infektionen
mit konsekutiver Abstossung des Gewebes. Andere Patienten leben
offenbar schon länger mit transplantierten Händen.
Daher ist eine Transplantation von Gesichtshautgewebe nur eine konsequente
Weiterentwicklung und kein nicht zu verantwortendes Risiko.
Eines wird natürlich den Empfänger brennend interessieren:
Wie werde ich später aussehen? Wenn ich in den Spiegel schaue,
bin ich dann noch ich oder eine andere Person?
Zieht man bei dieser Frage die Problematik der plastischen Chirurgie
zu Hilfe, dann kann man die Frage eher beantworten. Bei den sogenannten
Face-Liftings, besonders wenn die Augenpartie mit einbezogen wird,
wird auch das gesamte Gesicht verändert und wenn der oder meistens
diejenige danach in den Spiegel schaut, blickt ihr auch erst einmal
eine andere Person entgegen. Ist jedoch das Ergebnis positiv - was
leider nicht immer der Fall ist, da sich auf diesem Gebiet auch
eine Menge grauer und schwarzer Schafe tummeln - so wird er oder
sie es akzeptieren. Damit wäre auch die psychologische Komponente
geklärt.
Hinzu kommt bei einem Gesichtstransplantat noch eine beruhigende
Gewissheit: Der Gesichtsschädel, also die Knochenstruktur,
bestimmt weitgehend die Physiognomie des Gesichts. Die Furcht etwa,
nach der Operation das posthume Abbild des Spenders zu sein, ist
daher unbegründet.
Ein erheblicher Unterschied zur Transplantation ganzer Organe besteht
aber. Bei einer Insuffizienz von Herz, Leber oder Nieren besteht
immer Lebensgefahr. Dieses Damoklesschwert schwebt nicht über
einer Gesichts- oder Handtransplantation. Aber ohne Risiken für
den Patienten sind derartige Eingriffe nicht.
Daher muss man sich von beiden Seiten, vom Patienten und vom Operateur,
darüber im Klaren sein, ob man ein solches Risiko eingehen
soll.
Beim Patienten dürfte die Veranlassung in einer Situation bestehen,
in der man sich vom normalen Leben und den Mitmenschen ausgegrenzt
fühlt. Das können Verletzungen, Verbrennungen, Tumore
oder ähnliches im Gesicht sein. Jeder, der schon einmal einen
Patienten mit einer Epithese, bei der an der Brille ein Teil des
Gesichts einschliesslich des Auges sitzt, gesehen hat, weiss wie
einem zumute ist, wenn man selbst bei bestem Wohlwollen ständig
in ein entstelltes Gesicht schauen muss.
Insofern sind die Wünsche der betroffenen Menschen verständlich,
wenn sie zu dieser Lösung greifen, um wieder ein akzeptiertes
Sozialwesen zu werden.
Eine Alternative zu einer Transplantation ist eine Verwendung homologen
Gewebes aus anderen Körperpartien in Form von Lappenoperationen.
Dies kann aber nur eine Lösung für kleinere Bereiche sein.
Die Schwierigkeit besteht auch hier in dem Wieder-in-Funktion-Stellen
des Nervus facialis, der die mimische Muskulatur einschließlich
der Mundöffnung und des Schliessens der Augen bewerkstelligt.
Manchmal sind jahrelange Nachoperationen notwendig, die ebenfalls
einer Entstellung führen können.
Wenn man sich
mit einem solchen Thema befasst, dann bleiben - gerade aus complementär-medizinischer
Sicht - einige Fragen offen oder unbeantwortet.
Aus psychischer Sicht, auch wenn es weiter oben etwas bagatellisiert
wurde: Was passiert bei einem sensiblen Menschen, wenn er sich in
seiner neuen Haut unwohl fühlt und immer das Gefühl hat,
ein anderer blicke ihm im Spiegel ins Gesicht.
Kann man ihm da gegebenenfalls mit homöopathischen Konstitutionsmitteln
helfen oder mit geeigneten Bach-Blüten?
Wenn der Partner ihn als völlig anderen Menschen empfindet
als der er vor seinem Unfall und seiner Operation gewesen ist?
Eine gänzlich andere Frage geht darüber weit hinaus. Wo
liegen die Grenzen der Transplantationschirurgie?
Wird es eines Tages machbar sein, beispielsweise im Fall von Alzheimer
ein anderes Gehirn oder einen ganzen Kopf zu transplantieren? Wie
sieht es dann aus mit der Frage: Bin ich noch der von früher
oder bin ich jemand anders? Wohnt ein anderes Wesen in meinem Körper?
Werden meine Muskeln auf den neuen "Befehlshaber" genauso
gehorchen wie zuvor?
Gehen wir noch weiter: Wie sieht es aus mit dem Bewusstsein? Ist
es noch immer eine Summation des von mir Erlebten und Verarbeiteten
oder hat es fremde Ansichten und Verhaltensmuster übernommen?
Alles Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Nur Vermutungen,
verbunden mit einer Art von Schauder, da der Mensch sich daran machen
würde, evolutionär Gewachsenes oder religiös formuliert:
Göttlich Geprägtes kolossal zu verändern.
Die Zukunft wird uns Antworten geben. Denn wie es jetzt scheint,
ist der Mensch bereit, die letzten Bastionen des noch nicht von
ihm Eroberten anzugehen.
Es bleibt zu hoffen, dass er dies mit Augenmass und ethisch-moralischen
Grundsätzen vollbringt.
Dr. Dietrich
Volkmer
www.literatur.drvolkmer.de
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