Zungenbrennen, Mundbrennen - ein lästiges Symptom

Es gibt eine Reihe von Symptomen in jeder Praxis, bei denen man sich sehr schwer tut und die viel Geduld auf beiden Seiten erfordern. Eines dieser Probleme ist das Brennen der Schleimhäute an der Zunge und im Mund. Man nennt es auch, der heutigen Zeit gemäss, mit einem anglo-amerikanischen Begriff: Burning-Mouth-Syndrom, abgekürzt BMS.
Da der Autor dieser Zeilen nicht die Absicht hat, diesen Artikel für díe globalisierte Welt zu schreiben, bleiben wir beim deutschen Begriff - aber auch diesen können wir im Zuge der allgemein üblicher werdenden Abkürzung als ZMB-Syndrom bezeichnen.
Wer etwas kritisch in die medizinische Nomenklatur hineinhorcht, erkennt sofort, daß hinter der Bezeichnung Syndrom immer das stille Eingeständnis steht: Wir wissen nicht, woher es kommt. Im Klartext: Die eigentliche Ursache ist unbekannt. Das nennt man dann idiopathisch.

Die Zahl der Patienten mit derart unklaren Symptomen nimmt zu. Überwiegend sind es weibliche Patienten, und hier im Bereich des perioklimakterischen Alters, die von diesem Leiden betroffen sind.
Eigenartigerweise zeigt sich oft bei einer intraoralen Inspektion meistens kein objektiver Hinweis an der Schleimhaut auf die vom Patienten subjektiv empfundenen, z.T. als quälend und "nervend" beschriebenen Symptome. So gibt es wenig oder kaum Fotos, um dieses Thema mit Bildmaterial zu untermalen. Auf der anderen Seite sieht man häufig unter Prothesen Rötungen (Prothesenstomatitis), die vom Patienten überhaupt nicht als schmerzhaft oder störend registriert werden.
Die angegebene Lokalisation der Beschwerden zeigt sich am häufigsten an der Zungenspitze und weiterhin an den Zungenrändern, sie können aber im gesamten Schleimhautbereich des Mundes auftreten.
In vielen Fällen ist das Brennen im Mund mit einer Mundtrockenheit (Xerostomie)
Ebenso uneinheiltich ist das zeitliche Auftreten: Manchmal ist das Mißempfinden den ganzen Tag und sogar auch nachts vorhanden, bei anderen Patienten ist es morgens nicht vorhanden, nimmt dann aber im Laufe des Tages zu, so daß so mancher die Prothesen, falls vorhanden, als vermuteten Auslöser herausnimmt.
Der Beginn eines derartigen Leidens ist verschieden: Bei manchen Patienten ist der Eintritt der Symtome relativ plötzlich, bei anderen hingegen scheint ein langsames, zuerst gar nicht bewußt registriertes Auftreten, das sich verschlimmert, im Vordergrund zu stehen, so daß der Patient ein genaues Datum nur schwer angeben kann.

Suche nach Ursachen
Bevor man überhaupt mit irgendwelchen spezifischen Untersuchungen beginnt, sollte nach meinem Dafürhalten eine Frage an den Patienten absolute Priorität haben:
Können Sie sich an ein Ereignis, gleichgültig ob allgemeiner, zahnärztlicher oder auch psychischer Art, erinnern, das kurz vor dem Beginn der Beschwerden in Ihrem Leben auftrat?
Wenn der Patient diese Frage irgendwie beantworten kann, hat man zumindest schon einmal eine Fährte, wobei nicht verschwiegen werden soll, daß dieses Ereignis nicht immer die eigentlich tiefere "Ursache" (was immer das auch sein mag) sein muß, sondern nur der Tropfen, der das "Symptomen-Faß" zum Überlaufen brachte.

Als Hauptgründe können in Frage kommen
1. Internistische Aspekte.
So haben denn die meisten Patienten, bevor sie einen Zahnarzt konsultieren, bereits eine Reihe von allgemeinärztlichen Untersuchungen hinter sich.

Eisenmangelanämie
Diese kann zu Symptomen der Zunge und der Mundschleimhaut führen. Nach der Diagnostik kann man hier aus biologischer Sicht am besten mit den Schüssler-Salzen (Ferrum phosporicum) gegensteuern.

Diabetes mellitus
Über diese Ursache gibt es keine eindeutigen Literatur-Angaben. Es wird berichtet, daß nach Einstellung des Blutzuckerspiegels die Zungen-Mund-Symptome nicht verschwanden

Reflux
Zu Veränderungen des Mundmilieus kann es kommen, wenn häufig oder chronisch Magensäure über die Speiseröhre in den Mundraum gelangt. Weitere Erkrankungen / Störungen, die es abzuklären gilt, sind: Sonstige Magenerkrankungen, Sodbrennen, Anorexia nervosa (Magersucht) oder Bulimie (Ess-Brech-Sucht).

Bestrahlungen nach Malignomen / Operationen
Besonders im Kopfgebiet führen diese Behandlungen zu einem Ausfall der Speicheldrüsentätigkeit, so daß die gewohnte Einspeichelung nicht möglich ist und die Schleimhäute austrocknen.

Hormonelle Störungen

2. Ernährungsgewohnheiten
Diese Frage wird m.E. bei vielen Patienten unterlassen. Es ist auf jeden Fall abzuklären
a) Verwendet der Patient gewohneitsmäßig scharfe Gewürze wie Paprika, Curry, Pfeffer oder viel Salz?
b) Wie steht es mit dem Verbrauch von heissen Getränken wie Kaffee, die ihrerseits Schleimhautläsionen hervorrufen können?
c) Hat der Patient eine Vorliebe für den Besuch von indischen, chinesischen, thailändischen oder vietnamischen Restaurants?
d) Ist er (oder sie) Raucher? Dies kann ein Prädispositionsfaktor sein.
e) Wie hoch ist der Anteil von Fertigkost (Suppen, Tüten, Dosen, Tiefkühlkost), die sehr oft mit Glutamat versetzt sind?
f) Ist der Patient eventuell Alkoholiker mit Vorliebe für hochprozentige Getränke wie Schnäpse oder Liköre? Dies ist natülich nicht immer einfach zu eruieren, da die meisten Menschen eine derartige Unterstellung oft entrüstet von sich weisen
g) Wie sieht es aus mit dem Verzehr von Süßigkeiten, da diese das Mundmilieu ins Acidotische abdriften lassen und damit eine größere Reaktionsfreudigkeit hervorrufen.

3. Zahnärztlich relevante Aspekte
In diesem Umfeld stoßen wir neben den internistischen Gründen auf ein weites Feld von Gründen oder Möglichkeiten, denn bislang sind die Zahnärzte, Kieferchirurgen und Kieferorthopäden diejenige medizinische Spezies, die die meisten Fremdstoffe und -materialien in eben dieses Gebiet hineinexpediert.
a) Intraoraler Galvanismus. Bei umfangreichen Restaurationen, besonders bei kombiniertem Zahnersatz, kommt es vor, daß verschiedene Materialien in den Mund kommen, die in einem Lösungsmedium, wie es der Speichel darstellt, zu elektrochemischen Reaktionen führen können. Daher ist die Frage nach einem metallischen Geschmack sehr wichtig. Man beachte auch einmal die Gesichtsreaktion bei einem Patienten, wenn man ihn nach der Empfindung fragt, wenn Stanniolfolie (von Schokolade, Kaugummi oder Schmelzkäse) oder ähnliches aus Versehen in den Mund gerät. Diese letzte Reaktion kann aber auch in einem normal versorgten Mund vokommen.
b) Amalgam-Belastung. Leider gibt es noch immer Zahnärzte, die Amalgam für das Non-plus-ultra der Füllungs-Therapie halten. Und leider sieht man noch immer Amalgam-Füllungen direkt neben Gold-Kronen oder Inlays. Dies ergibt zwangsweise eine Dauerbatterie im Sinn des Galvanismus.
c) Lotstellen. Lote sind für die Verbindung zwischen zwei gleichen oder verschiedenen Metallen gedacht. Lote haben immer einen niedrigeren Schmelzpunkt als die zu verbindenden Metalle, damit diese nicht ebenfalls schmelzen. Zu diesem Zweck enthalten viele Lote unedle Betandteile, die zu Mißempfindungen im Mund führen können. Daher lautet mein Vorschlag immer: Lotstellen bei komplexem Ersatz, wenn unumgänglich, in den Kunststoff zu verlagern.
d) Prothesen-Unverträglichkeit bzw unzulängliche Prothesen. In den meisten zahntechnischen Labors werden heute aus Bequemlichkeits- und Wirtschaftlichkeitsgründen sog. Autopolymerisate verarbeitet. Das sind Kunststoffe, die durch das Zusammenmischen von Pulver und Flüssigkeit (Monomer) gehärtet werden. Gerade die Flüssigkeit bindet oft nicht völlig ab und kann die Mundschleimhaut irritieren. Da heute offenbar vieles aus dem Ausland kommt, sind die Komponenten nicht immer nachvollziehbar. Abhilfe schaffen Kunststoffe, die durch Kochen polymerisiert werden bzw im Spritzguss verarbeitet werden. Eine Reihe von biokompatiblen Kunststoffen verarbeitet beispielsweise die Firma Pedrazzini, 85640 Putzbrunn bei München.
e) Unverträgliche Prothesenmetall-Legierungen. Zum Zweck der Grazilität werden Teile von Prothesen (z.B. am Gaumen und der Unterzungenbügel) aus Metall angefertigt: Hierbei handelt es sich um eine Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierung. Gegen diese gibt es vereinzelt allergische Reaktionen. Eine (leider etwas teuere) Alternative sind verträgliche Goldlegierungen.
f) Spargolde. Es gab - leider - eine Zeit, in der die gesetzlichen Versicherungen dem Patienten nur die relativ preiswerten, edelmetallreduzierten Legierungen für Kronen und Brücken bewilligten. Diese enthielten anstelle der von den Versicherten, die darüber zudem in den seltensten Fällen auch aufgeklärt wurden, erhofften hochwertigen Legierungsbestandteilen andere Metalle: Nämlich Palladium (z.T. bis zu 78 Prozent), Indium und Gallium. Je nach prozentualem Anteil können diese Metallbestandteile durchaus Symptome an der Mundschleimhaut hervorrufen.

4. Speichel-Acidose
Das physiologische pH-Milieu im Mund liegt bei 7.0 - 7.1. Bei Mangelzuständen, Resorptionsstörungen im Darmbereich sowie Dysbiosen kann es zu Veränderung des pH-Wertes in den sauren Bereich kommen. Bei meinen Untersuchungen habe ich schon pH-Werte von 5.0 gemessen, also eine erhebliche acidotische Verschiebung. Aber nicht immer ist ein derartiger Befund mit einem Brennen der Schleimhäute verbunden.
Es dürfte verständlich sein, daß bei einer starken Acidose des Mundmilieus dies nicht ohne Folgen auf die Schleimhäute kommen kann.
In derartigen Fällen ist eine Überprüfung der Darmflora wichtig. Bewährt hat sich zudem der Einsatz von Schüssler-Salzen (Biochemie Nestmann), möglichst auf der Basis von Kartoffelstärke und nicht von Weizenstärke, da viele Menschen auf das im Weizen enthaltene Gluten allergisch sind.
Auf der anderen Seite habe ich bereits Fälle gesehen, deren Speichel-pH in Ordnung war und die trotzdem unter diesen quälenden Symptomen litten.

5. Mangelzustände
Bei diesen Patienten sind meistens Mängel an Vitaminen aus der B-Gruppe beobachtet worden: Vitamin B 1, B 2 und B 6.

6. Nebenwirkungen von Medikamenten
Beim Studium der Nebenwirkungen von allopathischen Mitteln stößt man sehr häufig auf das Wort Mundtrockenheit (Xerostomie). Besonders die multiple Einnahme von Allopathika, deren Interdepenzen völlig ungeklärt sind, können eventuell auch, besonders in Verbindung mit anderen Faktoren zu der Mundsymptomatik führen.

Therapie-Möglichkeiten
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die weiter oben angegebene, unbedingt zu stellende Initial-Frage hinweisen. Wenn es gelingt, einen "Ursachen-Faktor" auf diese Weise auszumachen, kann man eher an das Problem und dessen Lösung gelangen.
Aber: Nach meinen Erfahrungen ist dies nicht immer gegeben.
Es scheint so zu sein, daß eventuell einer der oben angegebenen Faktoren vorhanden ist. Da oft aber eine gewisse Zeit vergeht (die wiederum von der Konstitution und vom Allgemeinzustand des Patienten abhängig ist) bis sich Symptome einstellen, kann der Betroffene keinen zeitlichen Kausalzusammenhang erkennen und damit auch dem Therapeuten nicht helfen.
Unerläßlich ist es in jedem Fall, dem Patienten in den Mund zu schauen und abzuklären, ob sich darin eine leider gar nicht so selten vorkommende Kakophonie verschiedenster Metalle befindet.
Bei der Therapie mit homöopathischen Mitteln wird man sich an dem Thema Brennen orientieren müssen. Ein Blick in diesbezügliche Repertorien verunsichert aber die meisten Therapeuten ob der Vielzahl von angebenen Mitteln.
Daher mögen nur einige Tips gegeben werden: Folgende Komplex-Homöopathika können unterstützend eingesetzt werden
Cedron Komplex Nestmann (enthält u.a. Urtica, Nasturtium, Carbo veget., Causticum)
Weiterhin versuchsweise: Taraxacum Komplex Nestmann
Ferrum phosphoricum Komplex Tabletten Nestmann
Schleimhauttropfen KN Tropfen magnet-activ

Fazit
Wie eingangs berichtet: Diese Symptomatik ist alles andere als einfach.
Diese Ausführungen sind daher nur der Versuch, dem einen oder anderen Therapeuten vielleicht eine kleine Anregung zu geben, welche "Ursachen" von ihm noch nicht untersucht oder hinterfragt worden sind. Gegebenenfalls ist ein solches Problem, wenn überhaupt, nur im therapeutischen Verbund zu lösen.

In dem Buch Homöopathie und Phytotherapie in der zahnärztlichen Praxis bin ich ausführlich auf Lösungsansätze eingegangen (s. rechts oben)

Dr. Dietrich Volkmer

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